
Wort zur zweiten Lesung
„... in den Spiegel !!!“ Es hat mich fast aus dem Auto katapultiert. Der Fahrlehrer hat sich damit irgendwie einen imaginären Fixplatz in meinem Auto geschaffen. Denn heute – das sind sehr viele Jahre und viel zu viele Kilometer später – höre ich immer noch den Schrei „... in den Spiegel!“
Mittlerweile haben die Autos Kameras und Sensoren, die piepsen. Der Blick in die Spiegel ist aber noch lange nicht abgeschafft. Und ich bin richtig dankbar, dass mein Fahrlehrer die Notwendigkeit dieses Blickes in mein Hirn tätowiert hat. Im Rückspiegel sehen wir, ob sich von hinten oder seitlich etwas (anderes Fahrzeug, Menschen, ...) nähert. Routinierte Fahrzeuglenker:innen machen das ganz automatisch. Die ersten 500 Kilometer muss man sich daran gewöhnen. Es ist ein Lernen. Manche machen sich dafür Spickzettel im Auto.
Es darf kein Wegfahren, kein Abbiegen, kein Überholen und kein Stehenbleiben ohne den Blick in den Spiegel geben. Für jüdische Gläubige – wie Jesus oder Paulus und alle vor und nach ihnen (und damit auch für uns christliche Gläubige) – gibt es auch so einen fixen Blick in den Rückspiegel: Die Exodus-Erzählung, die ganz große Anfangsgeschichte – die ständige Erinnerung, dass der Allmächtige, DA ist, mit uns ist und uns (nur gemeinsam) in die Freiheit führt. Unser ganzes Menschsein besteht darin „ganz frei zu werden“ und die Steigerungsstufe davon ist, anderen zu helfen frei zu werden. Richtig frei. Alle. Und alles andere ist Verderben. Wenn es einen Plan Gottes für unser Leben gibt, dann der, dass wir frei & heil(ig), – im Frieden sind. Und wer sich zu sicher ist, muss viel mehr aufpassen, dass er nicht fällt ..
In meinem Lebens-Rückspiegel erkenne ich auch Fehler, aus denen ich lernen kann, und Erfolge, die Mut machen zum Weitergehen ... und erahne etwas von Gottes Gegenwart.
Andrea Geiger ist Projektassistentin im Pastoralamt der Katholischen Kirche Vorarlberg.
Kontakt: sonntag@koopredaktion.at