
Ich weiß, dass viele Menschen in unseren Tagen diesen lächelnden Blick Jesu brauchen. Es ist nicht lange her, da dachte man im Blick auf die Zukunft an eine bessere Welt. Heute sind die Zeiten andere. Der Friede ist brüchig geworden, das Vertrauen in die Demokratie bröckelt, die Bedrohungen durch die Klimaveränderungen nehmen von Jahr zu Jahr zu. Aggression und Angst vergiften das gesellschaftliche Miteinander. Manche sprechen mit den Worten des Prager Theologen Tomáš Halík von einer „taumelnden Welt“ – von einer Welt, die auf unsicheren Beinen steht, ins Wanken gerät und zu fallen droht. Was gibt Halt? Wo finde ich Sinn und Orientierung für mein Leben? Als Christ und Seelsorger beschäftigen auch mich diese Fragen und ich suche nach Antworten aus dem Glauben. Mit großer Überzeugung kann ich sagen, dass der wichtigste Anker in meinem Leben die christliche Hoffnung ist. Mit dem Motto „Pilger der Hoffnung“ steht sie im Zentrum des Heiligen Jahres. Ich möchte anregen, die heurige Fastenzeit als eine Hoffnungszeit zu sehen: als eine Zeit, in der wir das Licht der Hoffnung neu entzünden und weitertragen.
Der Benediktiner David Steindl-Rast spricht davon, dass Hoffnung auf zwei Haltungen gründet: auf Vertrauen ins Leben und Vertrauen auf Gott. Ohne Lebensvertrauen, so schreibt er, können wir nicht leben.
„Mit großer Überzeugung kann
ich sagen, dass der wichtigste Anker
in meinem Leben die christliche
Hoffnung ist.“
Denn Augenblick für Augenblick vertrauen wir wie selbstverständlich darauf, dass das Leben einfach „funktioniert“: Wir atmen, ohne dass wir daran denken. Das Blut zirkuliert in unserem Körper ohne unser Zutun. Wir schlafen ein und können darauf vertrauen, dass unser Herz auch in der Nacht weiterschlägt. Diese vertrauensvolle Grundhaltung ist auch für unsere Lebensgeschichte wichtig. Wie oft haben wir schon erfahren, dass sich in der größten Ausweglosigkeit mit einem Mal ein Weg auftut? Wie oft hat sich ein Ende als neuer Anfang erwiesen? Wie oft hatten wir schon davor Angst, Verantwortung zu übernehmen oder eine schwierige Entscheidung zu treffen, und es ist letztendlich gut gegangen? Hoffnung ist also auf Lebensvertrauen gegründet – auf ein Vertrauen, das uns darin bestärkt, auch das Unvorhersehbare mit Zuversicht erwarten und gestalten zu können.
Ein besonderes Kennzeichen christlicher Hoffnung zeigt sich in der Hinwendung zu jenem Gott, der sogar Tote zum Leben erwecken kann. Hier wird das Lebensvertrauen zum Gottvertrauen. Wenn ich die christliche Hoffnung nicht mit vielen Worten, sondern mit einem Bild beschreiben will, dann wähle ich den am Kreuz lächelnden Christus. Denn ein Christus, der im Angesicht seines Todes lächelt, ist für mich das stärkste Bild der Hoffnung überhaupt. Dieser Christus lächelt die Probleme nicht weg, schon gar nicht macht er sie lächerlich. Es ist auch kein schallendes Lachen, wie ein Sieger über einen Verlierer lacht. Vielmehr drücken sich in seinem Lächeln die tröstende Erfahrung und die zuversichtliche Gewissheit aus, dass mitten in den Problemen des Lebens jemand da ist, der rettet und heilt. Zum Christsein gehört ein dankbares, erlöstes Lächeln. Dieses Lächeln wurzelt in der Auferstehung Jesu Christi und wird in der Ostererfahrung unzähliger Christinnen und Christen konkret. Sie haben erfahren, dass Versöhnung Wunder wirkt, Glaube Zukunft verheißt und Mitgefühl und Nächstenliebe andere Menschen aufblühen lassen.
Für die heurige Fastenzeit wünsche ich Euch, dass das Hoffnungsbild des am Kreuz lächelnden Christus auch uns alle berühre. Es kann uns den Weg weisen von der Angst zum Glauben, von der Hoffnungslosigkeit zu Lebens- und Gottvertrauen, vom Gegeneinander zum Miteinander. Gott stärke uns in der Zuversicht, dass auch in schweren Momenten des Lebens – in Trauer und Krankheit, Unsicherheit und Enttäuschung – die Verheißung des Auferstandenen erfahrbar wird: Ich bin mit dir, wohin dich dein Weg auch führen mag.
Von Herzen wünsche ich Euch eine gesegnete und hoffnungsreiche Fastenzeit.
+Benno Elbs
Diözesanbischof