Von Veronika Fehle
Lesen bildet, dieses geflügelte Wort kennt man und es stimmt. Es stimmt nicht nur, weil die diesjährige Tagung der Vorarlberger Bibliothekarinnen und Bibliothekare – heuer traf man sich in der Landesbibliothek in Bregenz – unter dem Titel „Lernort Bibliothek“ stand. Die Quintessenz nämlich, wie es Silvia Freudenthaler von der Bibliotheken Fachstelle der Katholischen Kirche Vorarlberg, betonte, findet sich im Untertitel der Veranstaltung: Miteinander und voneinander lernen.
Ja, darum geht es – und die Bedeutung des voneinander Lernens wächst. Heute, im Herbst 2024, können rund 20% der erwachsenen Bevölkerung nicht sinnerfassend lesen, führte Barbara Schöbi-Fink, Bildungs-Landesrätin, im Kuppelsaal der Landesbibliothek aus. Nicht sinnerfassend Lesen zu können, heiße auch, so Schöbi-Fink weiter, von vielen Bereichen der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen zu sein. „Wir müssen weiter gemeinsam daran arbeiten, dass die Welt des Geschriebenen für alle offen steht.“ Bibliotheken können, neben den Schulen, Orte sein, an denen diese Welt der Bildung aufgeschlossen wird. Einen dieser Türöffner trägt Carsten Sommerfeldt an seinem literarischen Schlüsselbund. Carsten Sommerfeldt war schon immer ein Mann der Worte und Bücher. Als Marketingchef eines Verlags war er es gewohnt mit Geschriebenem zu arbeiten oder Kampagnen zu entwerfen. Dann aber fragte er sich, ob das tatsächlich alles sei. War es natürlich nicht und irgendwie ging ihm die Idee eines „Lesekreises“ nicht mehr aus dem Kopf – ein Lesekreis, nur anders. Es war eine Bekannte, die ihm ein Buch in die Hand drückte. Es ging um das Konzept des „shared reading“ (geteiltes, gemeinsames Lesen). Buch gelesen, Entschluss gefasst, ab nach Liverpool, um dort das Konzept dieses ganz anderen „Lesekreises“ zu erlernen. „Beim ,shared reading‘ ist das Persönliche immens wichtig. ,Shared reading‘ ist immer kostenfrei. Es ist niederschwellig, offen, sinnstiftend und vor allem wohltuend“, erzählt Carsten Sommerfeldt, der 2025 „shared reading“-Kurse auch in Vorarlberg anbieten wird.
Und so funktioniert „shared reading“: Alle paar Wochen trifft sich eine Gruppe in der Bibliothek. Der Leseleitende bringt zwei Texte Weltliteratur mit – und ein lyrisches Werk. Es wird laut (vor)gelesen. Jede und jeder, der sich einbringen will, kann. Niemand muss. „In wenigen Wochen entsteht so ein Gemeinschaftsgefühl mit Folgewirkungen“, erklärt Sommerfeldt weiter. 70% der Teilnehmer:innen berichten davon, dass sie an sich eine grundsätzlich positivere Lebenseinstellung bemerkt hätten. Lesen steigert also auch das Selbstwertgefühl.
Etwas, das auch einen Wert hat – wenn auch in ganz anderem Sinn – stand dann bei Patrick Labourdette im Mittelpunkt: die KI, sprich die künstliche Intelligenz. Stellt sich zu allererst die Frage, wie intelligent diese künstliche Intelligenz denn tatsächlich ist. Nicht sonderlich, würde Patrick Labourdette, kuratierender Mitarbeiter der Vorarlberger Landesbibliothek, da wohl antworten. Sie ist ein Werkzeug und als solches kann sie nützlich sein. Sie fasst zusammen, kann der eigenen Kreativität einen Schubser geben, erleichtert vieles im medialen Alltag. Aber Vorsicht, die KI will vor allem eines. Sie will ihrem Benutzer „gefallen“ und das heißt auch, dass sie, ist sie um eine Antwort verlegen, kurzerhand eine „erfindet“. Darum sollte man ihr besser nicht blind vertrauen. Ihr bewusster Einsatz ist aber absolut machbar. KI hilft vielleicht dabei, die Lektürezusammenfassung für die Deutschstunde schneller zu erledigen. Gelesen haben sollte man das Buch aber tatsächlich immer noch selbst. Denn selbst die KI ist nur menschengemacht und damit immer so intelligent wie ihre Anwender:innen. Deshalb: Lesen bildet. Ausprobieren hilft!
Aus dem KirchenBlatt Nr. 42 vom 14. November 2024. Zum Login der Digital-Ausgabe
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