Als ich um Kommentare zu biblischen Texten gefragt wurde, sagte ich spontan zu. Erst später erfuhr ich, dass es Abschnitte aus dem Brief an die Gemeinde in Ephesus sind, der nicht zu meinen Lieblingsbüchern der Heiligen Schrift gehört. Ich kann mir vorstellen, dass es vielen Leserinnen und Lesern ähnlich ergeht.
Der Abschnitt, der an diesem Sonntag vorgetragen wird, will Einheit und Friede in der Gemeinde. Ehrlich gesagt: Mich nervt die Aufforderung. Hat der Autor – wohl ein Schüler des heiligen Paulus – im Unterschied zu seinem Lehrer nicht offensichtlich ein ausgesprochenes Harmoniebedürfnis? Das kann man kaum übersehen. Der Geist Gottes darf nicht mehr brausen, er muss gezähmt werden. Das alles unter einem frommen Mäntelchen. Und das Resultat: Schlafende Gemeinden, wie wir sie heute zuhauf kennen.
Die Aufforderung lässt mich ans Einknicken denken: Niemanden verletzen. Einfach nichts sagen, dann sind sie wenigstens ruhig. Da fällt mir ein treffendes Wort von Marie von Ebner-Eschenbach (1830–1916) ein: „‚Der Gescheitere gibt nach!‘ Ein unsterbliches Wort. Es begründet die Weltherrschaft der Dummheit.“ Ob diese Einsicht nicht besser in die Situation der Kirche heute passt? Schlafmittel brauchen wir beileibe nicht, sondern Feuer. Darum ist es wichtig, dass wir den zweiten Teil der Lesung nicht übersehen. Siebenmal ist „ein“/„eine“ betont: Ein Leib, ein Geist, eine Hoffnung, ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater. Das ist der Grund der Einheit und des Friedens in der Kirche, und nicht das Harmoniebedürfnis. Und dieser Grund ist voll Feuer und Kreativität.
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