Wie würden Sie das Bildungshaus beschreiben, wenn Sie jemanden treffen, der das Haus nicht kennt?
Christian Kopf: Das ist relativ einfach. Viele sagen, es ist das schönste Haus in Österreich, weil es ein Haus mit Aussicht, Atmosphäre und einer wundervollen Lage ist. „Man fühlt sich wie ein anderer Mensch“, diese Wortwahl höre ich oft von Leuten, die bei uns zu Besuch waren. Wir bieten im Bildungshaus Erwachsenenbildung an und eröffnen dadurch neue Perspektiven und Blickwinkel. Die Menschen steigen aus dem Alltag heraus, genießen gutes Essen und gehen gestärkt und verändert wieder hinaus.
Was macht ein gutes Bildungshaus für Sie aus?
Kopf: Als erstes natürlich die Liebe zum Menschen. Die Fähigkeit, Menschen ernst zu nehmen und gleichzeitig die Inhalte der Vorträge entsprechend und überzeugend rüberzubringen. Dafür benötigt man bodenständige Referenten, die den Inhalt ihrer Vorträge nicht nur predigen, sondern auch leben. Sie müssen wirklich etwas zu sagen haben und eine Sprache und eine Haltung haben, die Menschen motiviert, ihr Leben und ihre Verantwortung, manchmal von Grund auf, wiederzufinden und wahrzunehmen. Begegnen, bilden und bewegen ist unsere Devise. Begegnen heißt, dass eine wertschätzende Atmosphäre herrscht, bilden heißt, dass man etwas auch verlernen darf und sich auf Neues einlässt und bewegen heißt, dass auch tatsächlich etwas in Bewegung kommt. Bildung, die nur im elfenbeinernen Turm passiert, ist dramatisch. Ein gutes Bildungshaus hat, und das ist ein ganz wesentlicher Punkt, eine Auswirkung in der Gesellschaft.
Sie waren lange Religionslehrer. Hat Ihnen die Pädagogik bzw. die Erfahrungen mit den Schüler:innen auch in der Arbeit im Bildungshaus geholfen?
Kopf: Der Kontakt zu jungen Menschen hat mir sehr geholfen. Dadurch hatte ich ein ideales Umfeld, um auch Veränderungen und Wandel annehmen zu können. Und umgekehrt glaube ich, aber da müssten wir meine Schüler:innen fragen, hat diese Welt aus dem Bildungshaus auch meine Art zu unterrichten verändert. Besonders Schwerpunkte wie Kontemplation, Spiritualität, Pflege von Angehörigen oder kulturelle Themenstellungen konnte ich durch meine Arbeit in Batschuns ganz anders beleuchten. Ich habe dies als überraschend gute und fruchtbare Kombination erlebt, zumal ich mir früher nie vorstellen hätte können, Lehrer zu werden.
Was war rückblickend für Sie eine große Herausforderung?
Kopf: Die wirtschaftliche Sicherung des Hauses. Erwachsenenbildung ist nicht einfach, weder in der Ausführung noch in der Wirtschaftlichkeit. Hier bin ich dem Land Vorarlberg und der Diözese sehr dankbar, da sie uns immer wieder unterstützt haben. Auch freut es mich sehr, dass wir einen Förderverein gewonnen haben, bei dem sich viele Leute engagiert und einen wichtigen Beitrag mit einer freiwilligen Spende geleistet haben. Das war etwas Besonderes für mich. Jeden Tag, wenn ich die Kontoauszüge gesehen habe, war es ein Highlight für mich, diese Beiträge von den verschiedensten Menschen zu sehen. Sie haben das Fortbestehen der Erwachsenenbildung in Batschuns mit ihrer Spende möglich gemacht; dafür bin ich sehr dankbar. Dadurch war auch die dringend notwendige Sanierung des Hauses möglich.
Gibt es etwas, auf das Sie retrospektiv sehr stolz sind?
Kopf: (lacht) Stolz ist die falsche Kategorie für einen Christen. Für mich war und ist es eines vom Schönsten, wenn sich das Gesicht von einer Person verändert, nachdem sie bei uns war. Wir alle kommen aus unserem Alltag nur schwer heraus, umso schöner ist es, dass sich hier Menschen begegnen, die miteinander auch persönlich etwas zu tun haben. Dadurch gehen die Menschen oft und meist erlöster aus unserem Bildungshaus hinaus. Dies ist ein großes Privileg für mich an so einem Ort zu arbeiten. Auch freut es mich sehr, dass es uns gelungen ist, Mitarbeiter:innen zu gewinnen, die das Leben im Bildungshaus „erleben lassen“. Ich konnte mich auf das Team immer verlassen. Sie haben mit Freude gearbeitet und auch selbst Entwicklungen durch ihre Mitarbeit im Bildungshaus gemacht.
Gibt es etwas, das nicht viele von Ihnen wissen?
Kopf: Ich gehe seit ungefähr 13 Jahren regelmäßig im Sommer für ein bis zwei Wochen ins totale Schweigen. Dort herrscht absolute Sendepause und ich fokussiere mich nur auf meinen Atem. „Man muss sich zum eigenen Grund hinbewegen“, der Spruch von Meister Eckhart ist mein Leitsatz. Dort merke ich ganz besonders, dass die Lebendigkeit von Gott kommt. Das ist zwar am Anfang immer mühsam, aber notwendig, um bei all dem Trubel nicht in der Zerstreuung zu enden.
Sie sind als „kritischer Kopf“ bekannt. Denken Sie, diese Bezeichnung ist gerechtfertigt?
Kopf: Kritisch sein kommt von dem Verb „krinein“, was so viel bedeutet wie „entscheiden, unterscheiden“. Ich würde schon sagen, dass ich mich bemühe, Dinge zu unterscheiden. Bildung hat viel mit Nachdenken zu tun und wenn man Bildungsarbeit anbietet und in einem Bildungshaus arbeitet, sollte man nicht gerade bildungsresistent sein. Selbst ein Lernender zu sein und auch zu bleiben, ist für mich ein zentraler Punkt. Durch meine Arbeit in Batschuns durfte ich viele Bibelarbeiten machen und habe dabei unendlich viel von den Teilnehmer:innen gelernt. Man fühlt sich beschenkt, wenn jemand bei einem Vortrag eine interessante und anregende Frage stellt, die mir bei zwei Tagen Vorbereitung nicht eingefallen ist. Dies führt zu einer gewissen Lebendigkeit, aber auch kritischer Unterscheidung. Ignatius sagt nicht umsonst, dass die Unterscheidung der Geister eine ganz zentrale Fragestellung ist. Wenn man dies als kritisch betrachtet, dann bin ich kritisch, ja.
Wie wichtig ist es für die Kirche, Kritik hören zu können?
Kopf: Sehr! Es ist wichtig, dass die Kirche einerseits Auseinandersetzungen nicht ausweicht und andererseits auch den Mut hat, bei bestimmten Themen und Fragestellungen klar die Meinung zu sagen. Dies sollte aber als Dialog-Angebot stattfinden und neue, aufschlussreiche Gespräche anregen. Die Kirche darf mögliche Konflikte nicht scheuen, so wie es Jesus auch nicht getan hat. Sie sollte aber immer eine sichere Plattform bieten, für alle denkbaren Gesprächspartner:innen, um dort miteinander der Frage nachzugehen: „Was ist ein gutes gelungenes Leben und welchen Beitrag müssen wir dafür leisten?“
Wie sieht Ihr weiterer Weg aus und was möchten Sie dem Bildungshaus für die Zukunft mitgeben?
Kopf: Noch habe ich keine Zeit über meinen weiteren Weg nachzudenken. Aber ich vertraue darauf, dass sich die Dinge weisen werden. Ich hoffe, dass ich wieder mehr Zeit zum Lesen haben werde und mich wieder meinem Musik-Favorit Giuseppe Verdi widmen kann. Ich war lange Zeit Obmann des Vereins Altes Kino in Rankweil, bin aber im Moment kein aktives Mitglied. Ich lasse mich überraschen, was so auf mich zukommt.
Dem Bildungshaus möchte ich mitgeben, dass sie bei den Menschen und für die Menschen da sind und erkennen, welche Themen wichtig sind, damit das Miteinander in schwierigen Zeiten besser und gut gelingen kann. Auch würde ich mir wünschen, dass die Orientierung am biblischen Jesus und an der biblischen Botschaft essentiell und wesentlich bleibt. Menschen sollen merken, dass Christsein etwas für das Heute ist und dass es Perspektiven eröffnen kann und Mut macht, seinen Beitrag zu leisten und sein eigenes Charisma einzubringen.
Anna Kadisch
Christian Kopf
Leiter vom bildungshaus batschuns
Seit 1999 leitet der gebürtige Muntliger das Bildungshaus Batschuns und ist dort Bildungsreferent für Spiritualität, Exerzitien, Bibel, Theologie und Interreligiöses. Mit Ende September neigt sich seine 25-jährige Amtszeit
im Bildungshaus Batschuns dem Ende zu und er wird in die wohlverdiente Pension gleiten. Für ihn ist somit ein wichtiger und prägender Abschnitt in seinem Leben abgeschlossen und er blickt gelassen in die Zukunft.