„Ist das nicht der Sohn des Zimmermanns? Wie kommt der dazu, mir etwas sagen zu wollen? Meint er, er ist was Besseres als ich?“ „Ich kenne ihn – da lag er noch in den Windeln – und er will mir sagen, was ich zu tun habe? Was maßt er sich denn an?“ „Glaubt er, er hat die Weisheit mit dem Löffel gegessen? Wenn er meint, aus unserer Dorfgemeinschaft herausstechen zu müssen, dann gehört er nicht zu uns.“ „Woher nimmt er sein Wissen, er hat doch nie eine Schule der Pharisäer oder Schriftgelehrten besucht?“
Geht es mir in meinem Glaubensleben nicht oft ähnlich? Ich bin im Glauben beheimatet; ich weiß, was von mir „gefordert“ und erwartet wird; was den Glauben ausmacht; wie ich zu handeln, als guter Christ zu leben habe. Ich habe eine Beziehung zu Gott und zu den Mitmenschen aufgebaut. Und dann schickt Gott mir einen neuen Gedanken, lässt Altes in einem neuen Licht erscheinen, überrascht mich. Kann ich mich darauf einlassen? Oder schiebe ich es beiseite?
Kann ich alte Muster fallen lassen? Ja, kann ich sogar Gott und meine Beziehung zu Ihm neu sehen und neu denken?
Das braucht Mut – Mut, Altes loszulassen in dem Vertrauen auf das Neue, das da kommt. Wenn meine Hände schon zwei Taschen zu tragen haben, muss ich eine loslassen und abstellen, um eine neue in die Hand nehmen zu können (oder ich muss umpacken). Wo mir das gelingt, da kann Gott Wunder tun, Neues hervorbringen und wirken. Und was für meine Beziehung mit Gott gilt, gilt auch für die zu meinen Mitmenschen – wo ich sie neu sehen kann und nicht an ihrem So-Sein hängen bleibe – auch da können Wunder geschehen.
Claudia Hubert ist Mitglied der Fokolar-Bewegung und arbeitet als Fachreferentin in der Diözese Innsbruck. Kontakt: sonntag@koopredaktion.at
Aus dem KirchenBlatt Nr. 25 vom 27. Juni 2024. Zum Login der Digital-Ausgabe
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