Im Sommer 2018 verhüllte ein Netz mit einem Spruch der Künstlerin Katharina Cibulka den Innsbrucker Dom: In großen Lettern war zu lesen: „Solange Gott einen Bart trägt, bin ich Feminist.“ In Auftrag gegeben hatten das Werk Bischof Hermann Glettler und der Generalvikar Florian Huber. Dies rief auch einiges an Irritationen und Protesten hervor. Die Vorstellung von Gott ist bis heute noch oft von männlichen Bildern und Metaphern geprägt. Dabei finden sich in der Bibel auch Hinweise auf eine weibliche Seite Gottes.
Ein besonders faszinierender Text, der diese weibliche Dimension anspricht, findet sich im Buch Jesus Sirach, wo von der Weisheit die Rede ist. Weisheit wird in der Bibel nicht nur als ein Aspekt von Gottes Wesen verstanden, sondern auch als eine Gottheit, die eng mit der Schöpfung und der Führung der Welt eng verbunden ist. In vielen antiken Kulturen, einschließlich der jüdischen, wurde sie oft mit einer weiblichen Figur assoziiert, da sie als nährend, schöpferisch und lebensspendend galt.
Die Weisheit, die im Buch Jesus Sirach dargestellt wird, ist nicht nur eine Intellektuelle oder Philosophin, sondern auch eine Quelle der Fürsorge, der Gerechtigkeit und des Lebens. Sie nährt die Menschen und leitet sie zu einem gerechten und harmonischen Zusammenleben an.
Im weiteren Verlauf der jüdisch-christlichen Tradition wurde – warum auch immer – die weibliche Seite Gottes zunehmend in den Hintergrund gedrängt, sodass es bis heute immer noch Irritationen und Proteste hervorruft, wenn Gott als Frau oder Mutter bezeichnet wird.
Wie viel feministisches Potenzial steckt in Ihnen?
Stefanie Hinterleitner ist Pastoralassistentin in der Linzer Dompfarre und in der Martinskirche Linz. Kontakt: sonntag@koopredaktion.at
Aus dem KirchenBlatt Nr. 47 vom 19. Dezember 2024. Zum Login der Digital-Ausgabe
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