Weil wir im Herzen barfuß sind.
Ein Lesebuch zu Advent und Weihnachten.
Tyrolia, 2023,
224 Seiten, € 25
Kunst & Kraftorte Klangraum für unsere Seele
Hrsg. vom Archiv der Diözese Feldkirch, 2023,
112 Seiten, € 28
© ADF/ Martin Caldonazzi
Adventkalender haben es in sich. Sie sind eine schöne Erinnerung an früher. Immer wenn wir einen sehen, können wir an den Wegen der Erinnerung entlangwandern und an die Adventkalender denken, denen wir begegnet sind. In meiner Kindheit kannten wir gar keinen Adventkalender. Die Kerzen am Adventkranz, an dem wir jede Woche eine Kerze angezündet haben, waren genug, um die Nähe des Festes anzuzeigen. Die Sehnsucht nach dem Christkind ließ jeden Tag zu einem Hoffnungspunkt werden, dass wir dem Fest näher kommen. Mein erster Adventkalender war der einfachste und schönste. Ich war im Internat. Da gab es einen Hoffnungspunkt. Wir durften an Weihnachten zum ersten Mal nach Hause fahren. Auf den Schreibtischunterlagen hatten wir ab Mitte November bis zur ersehnten Heimfahrt aufgeschrieben. Jeden Tag konnten wir eine Zahl durchstreichen, bis es endlich nach Hause ging.
Welche Tür werde ich heute öffnen?
Später gab es die Schokoladenadventkalender, bei dem wir jeden Tag ein Fenster oder ein Türchen öffnen konnten, hinter der eine Süßigkeit verborgen war. Hier ging es auch darum sich in Geduld zu üben, das richtige Türchen zu finden und das letzte große Tor nicht frühzeitig zu öffnen.
Der Adventkalender lehrt mich, dass ich manchmal diese Türen wirklich erst suchen muss. Er lässt uns fragen: Welche Tür des Lebens, welche Tür bei einem Menschen, welche Tür bei mir werde ich heute öffnen? Es gibt auch Adventkalender mit Sinnsprüchen, die wie Wegweiser zu einer Verinnerlichung und zur Frage führen: Wer bin ich? Wo will ich hin? Was erfüllt mich? Wofür bin ich dankbar? Sinnsprüche verleihen uns einen tieferen Sinn im Alltag. Da gibt es auch wunderschöne Bücher mit Texten für jeden Tag. Sie können die besten Adventkalender sein, die uns weiterführen.
„Mein erster Adventkalender war der einfachste und schönste.“
Rudolf Bischof
In der Liturgie des heutigen Sonntags wird Johannes der Täufer vorgestellt, der aufruft einen Weg zu bereiten, der uns zu Weihnachten führt, dass dieser Gott nicht nur in Bethlehem Mensch wird, sondern auch in mir. Er ruft auf, Täler und Schluchten mit Versöhnung und Vergebung aufzufüllen, dass wir einander wieder in die Augen schauen können und diese Versöhnung Zufriedenheit in unsere Seelen legt. Er ruft auf, das Krumme wieder gerade zu machen. Manchmal verbiegen wir uns und unser Leben, um etwas auszuweichen oder etwas zu verstecken. Es lässt uns trotzdem nicht zur Ruhe kommen, erst wenn wir es wieder begradigt haben, wird es wie Weihnachten in uns. Oder er lädt ein, wenn etwas uneben ist, es wieder eben zu machen. Ein helfender Adventkalender, der unser Leben wieder erneuert und in Ordnung bringt, sodass wir richtig ein Fest feiern können.
Dadurch kann wahr werden, was auf dem Grünewaldaltar in Colmar als Inschrift neben dem Hl. Johannes steht und worauf er mit seinem überlangen Zeigefinger hinweist: „Illum oportet crescere ne autem minui“ (Jener muss wachsen, ich aber muss kleiner werden). So kann es Weihnacht werden.
Schön finde ich auch Sätze, mit denen Bischof Wanke von Erfurt die Menschen eingeladen hat, sich und die Gemeinschaft zu erneuern (Die neuen 7 Werke der Barmherzigkeit). Sie könnten auch ein guter Adventkalender sein. Seine Sätze sind:
1. Du gehörst dazu.
Es macht uns glücklich, wenn wir spüren, wir gehören dazu, wir sind willkommen, sind angenommen und erfahren Wertschätzung. Das andere spüren zu lassen, schenkt Weihnachtsstimmung.
2. Ich höre dir zu.
Wir haben so wenig Zeit, alles muss schnell gehen, so entfallen Gespräche, die Einsamkeit wächst. Die Menschwerdung heißt auch: Gott schenkt uns sein Ohr. Wir sollen einander unser Ohr schenken, damit es Weihnacht wird.
3. Ich rede gut über dich.
Wenn wir uns vornehmen einen Tag lang nur Gutes über andere zu reden, merken wir, dass es vielleicht schwer fällt und wie heilsam es ist und uns in eine gute Stimmung versetzt.
4. Ich gehe ein Stück mit dir.
Jesus ist Mensch geworden, um ein Stück Weg mit uns zu gehen. Wir lernen die Freude und Not anderer am besten kennen, wenn wir in Gedanken oder wirklich ein Stück mitgehen, in ihre Schuhe schlüpfen.
5. Ich teile mit dir.
Das sind die schönsten Weihnachtsgeschichten, in denen erzählt wird, wie jemand mit einem in der Not geteilt hat. Da entsteht Freude und die Freude ist das Einzige, das sich verdoppelt, wenn es geteilt wird.
6. Ich besuche dich.
Wo ich jemanden besuche, da suche ich ihn mit seinen Nöten und Freuden. Da schenke ich ein Miteinander, das trägt, das zu einem Zuhause wird, das Herberge schenkt.
7. Ich bete für dich.
Wenn ich für einen anderen bete, schaue ich ihn mit den Augen des liebenden Gottes an. Das tut ihm und mir gut. Es entsteht ein ganz neues zärtliches Miteinander. Solch ein Adventkalender lässt es Weihnacht werden. Er öffnet Türen, schenkt die Geburt einer neuen Lebensfreude. So lade ich ein, die Türen zu öffnen, dass es Weihnacht wird.
Herbergsuche
an den Türen und Fenster der Kalender,
hinter denen die Botschaft wartet,
Herbergsuche
In den Nächten der Einsamkeit und Not,
in denen wir die Hände ausstrecken.
Herbergfinden
bei denen, die uns zuhören
und dazugehören lassen.
Herbergfinden
Bei denen, die uns suchen und besuchen
und ein Stück Weg gehen mit uns,
bis wir den Stern wieder finden.
Rudolf Bischof
Weil wir im Herzen barfuß sind.
Ein Lesebuch zu Advent und Weihnachten.
Tyrolia, 2023,
224 Seiten, € 25
Kunst & Kraftorte Klangraum für unsere Seele
Hrsg. vom Archiv der Diözese Feldkirch, 2023,
112 Seiten, € 28
© ADF/ Martin Caldonazzi
Im Rahmen der KirchenBlatt-Serie teilt Rudolf Bischof seine Gedanken zum Advent. Er ist Bischofsvikar mit Schwerpunkt auf der Seelsorge mit und für die Priester in Ruhe und dem künstlerischen Bereich, sowie Generalvikar in Ruhe und emeritierter Dompfarrer.
Aus dem KirchenBlatt Nr. 45 vom 5. Dezember 2024. Zum Login der Digital-Ausgabe
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