„Sand im Getriebe. Eine Philosophie der Störung“, das stand als Generalthema über dem Philosophicum in Lech. Stören soll man sich also lassen, aber ist eine Störung an sich überhaupt schlecht? Ist sie gut, ist sie notwendig? Sicher ist, eine Störung durchbricht Gewohntes. Als solche rüttelt sie wach und weitet – unter Umständen – auch den Blick.
Beim Philosophicum war das definitiv der Fall. Dieter Thomä, Lehrender an der Universität St. Gallen, beispielsweise brachte es gleich zu Beginn seines Vortrags auf eine einfache Gleichung, wenn er feststellt, dass „der Störenfried“ an sich ein „Wackelbild“ ist. Ein Bild mit Licht und Dunkel.
Da ist zum einen der „Trittbrettfahrer“, wie Thomä ihn betitelt. Seine Strategie ist es, das eigene Interesse zu verfolgen – und zwar rein das eigene Interesse. Und ja, man kann Thomä wunderbar folgen. Denn wenn da jemand ist, der nur seine eigenen Ziele im Sinn hat, dann kann sich das eindeutig zu einer kapitalen Störung auswachsen.
Man darf jetzt aber nicht dem Irrglauben verfallen, dass jeder „Störenfried“ ein Egozentriker wäre. Da ist auch der Typus, der auf der Suche nach sich selbst ist und dem die Ordnung dabei zur Kontrastfolie wird. Dann ist da aber auch der Störer, der eine „neue Ordnung“ propagiert oder der, der als „exotisch“ gesehen wird.
Bei all der Typisierung der Störer bleibt aber eines stabil: Die Störung braucht eine Reibefläche. Man spreche, so Thomä, in diesem Zusammenhang zwar oft von „Schwellenangst“. Stelle sich nur die Frage: Angst wovor? „Warum sprechen wir nicht viel mehr von einer Schwellenlust. Eine Schwelle sei ja – wenn man sie genau betrachtet – ein ausgedehnter Ort. Ideal also als Reibungsort, an dem auch die Angst vor der Störung durch das Unbekannte dahinter ihren Platz finden kann.
So nimmt das Gedankenexperiment beim Philosophicum an Fahrt auf. Geert Keil aus Berlin stellt die Frage nach der Skepsis um der Skepsis willen und Monika Dommann, Historikerin aus Zürich, knüpft mit Charlie Chaplins Film „Modern Times“ an der Störung eines durchgetakteten Produktionsablaufes an. Ja, „Modern Times“ ist der Chaplin-Film, in dem er am Fließband Schrauben festzieht und dabei so in seiner Aufgabe aufgeht, dass er selbst zur Störung des Ablaufs wird. Kaum aber verschwindet Charlie in den Zahnrädern, folgt auch mit Philipp Tingler – ebenfalls aus Zürich – der nächste Szenenwechsel. Ist Luxus verwerflich oder doch eher verwegen? Oder kennzeichnet er nicht auch die, die dazugehören und die, die „stören“. Ja, und, aber möchte man antworten und irgendwie schließt sich damit auch der Kreis hin zum „Wackelbild“ des Störenfrieds. Was ist denn „Luxus“? Vielleicht, wenn etwas im Übermaß vorhanden ist? Das könnte ein Definitionsversuch sein. Luxus kann aber auch für die Fülle an sich stehen. Dann ist die Brücke hin zum Paradiesisch-Himmlisch-Göttlichen gebaut. Lange Zeit – Kunst und Architektur im Kirchenbau zeugen davon – entsprach genau das der allgemeinen Auffassung.
Das änderte sich spätestens mit Franz von Assisi und seinem Freiwerden vom Irdischen. Bleibt die Frage, was Luxus heute ist oder sein könnte. Was hätte man heute gerne im Übermaß zur Verfügung? Reichtum? Zeit? Aber was anfangen mit all dem Geld oder all der Zeit, wenn der Sinn fehlt? Eine Frage führt zur nächsten, aber eines bleibt: Es ist nicht schlecht, sich stören zu lassen.
27. Philosophicum in Lech
23.–28. 9. 2025, Thema „Abenteuer“ www.philosophicum.com
Aus dem KirchenBlatt Nr. 38 vom 17. Oktober 2024. Zum Login der Digital-Ausgabe
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