Klarer als in dieser Evangelienstelle kann man es nicht ausdrücken: Bei euch, sagt Jesus, soll es ganz anders sein als in den gewohnten Macht- und Herrschaftsstrukturen. „Wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein.“ Einmal mehr redet er einer radikalen Umkehrung der gewohnten Verhältnisse das Wort.
Die gewohnten Verhältnisse erweisen sich heute aber um keinen Deut besser als jene, die Jesus zu seiner Zeit vorfindet und anprangert. Auch in der Kirche sind derartige Herrschaftsstrukturen präsent, und es ist hoch an der Zeit, dass sich die Weltsynode, die derzeit in Rom tagt, gerade dieser Problematik annimmt.
Im Licht des Evangeliums müsste sich die Kirche, was das Machtverständnis und die sich daraus ergebenden Folgen für ihre (Leitungs-)Struktur betrifft, radikal ändern. Man wird sehen, wie viel an diesbezüglicher Umkehr möglich ist.
Das heißt aber beileibe nicht, dass das Kind mit dem Bad ausgeschüttet werden darf: Es geht nicht darum, aus „christlicher Demut“ alle Zumutungen oder Ungerechtigkeiten hinzunehmen. Auch Derartiges ist aus der Christentumsgeschichte nur allzu bekannt. Insbesondere Frauen in der Kirche wurde (und wird immer noch) unter Verweis auf das „Dienen“ der Zugang zu Leitung und Mitentscheidung verwehrt.
„Bei euch aber soll es nicht so sein“: Dieser Herausforderung müssen sich die Kirche als Institution, aber auch alle Christinnen und Christen stellen. Das Jesus-Wort bleibt eine beständige Mahnung. Wer ehrlich ist, wird zugeben müssen: Bis heute ist davon viel zu wenig verwirklicht.
Otto Friedrich ist Religionsjournalist, er war bis April 2024 stellvertretender Chefredakteur der Wochenzeitung „Die Furche“. Kontakt: sonntag@koopredaktion.at
Aus dem KirchenBlatt Nr. 38 vom 17. Oktober 2024. Zum Login der Digital-Ausgabe
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